Vier Bereiche der Sicherheit

Meiner Erfahrung nach brauchen die Schüler Sicherheit in mindestens vier Bereichen:

emotionale Sicherheit,

d.h. die einzelnen Schüler müssen sich vom Lehrer angenommen fühlen und der Lehrer muss Vertrauen in ihre Entwicklungsmöglichkeiten haben. (Das Gleiche gilt natürlich für das Elternhaus!) Das bedeutet auch, dass die schulische Situation keine Trigger auslösen darf. Dies geschieht durch Lehrer und Mitschüler - ohne es zu wissen - sehr häufig. Man ist dann nur verwundert über etwaige ungewöhnliche Reaktionen (siehe oben).

soziale Sicherheit,

d.h. sie müssen in der Klasse akzeptiert sein und Fehler machen dürfen, ohne dass das zum Nachteil gereicht oder sie Spott oder Hänseleien ausgesetzt sind. Für manche Schüler ist das überhaupt kein Problem, für andere dagegen ein sehr großes. Der Lehrer muss dies sorgfältig beobachten und die Gruppendynamik der Klasse gut kennen. Vieles spielt sich sehr im Verborgenen ab! Er muss die Gruppendynamik aufgreifen und ggfs. durch gezielte Übungen und z.B. Rollenspiele verwandeln helfen, damit ein positives Lernklima und eine positive Fehlerkultur entstehen können. (Auch dies sollte im sozialen System Elternhaus gewährleistet sein.)

methodische Sicherheit,

d.h. die Schüler müssen das methodische Handwerkszeug solange üben, bis sie es beherrschen, das für das individuelle und gemeinsame Arbeiten und Lernen sowie für das jeweilige Fach und die jeweilige Aufgabe notwendig ist. Sie müssen darüber hinaus auch die Methoden des eigenständigen Arbeitens und Lernens beherrschen, um sich selbst und gemeinsam etwas erschließen und erarbeiten zu können. Sie sollten gewöhnt sein, allein etwas zu bearbeiten und auch im Duo, Trio oder in einer Vierergruppe konstruktiv und arbeitsteilig zusammenzuarbeiten. Zum Lernen gehört dazu, dass sie ihren Lernweg und ihre Lernstrategie sowie ihre Ergebnisse erkennen, beschreiben und reflektieren können.

inhaltliche Sicherheit,

d.h. die Schüler müssen vom Lehrer soweit in die Inhalte eingeführt, dafür angewärmt sein und dadurch einen eigenen inneren, vor allem emotionalen Zugang zu den Inhalten gefunden haben, dass sie selbst Fragen daran entwickeln können, damit sie sich dann selbstständig und selbstverantwortlich weiter forschend und entdeckend darin bewegen können. Weiterhin muss der Lehrer ihnen den Zugang zu verschiedenen altersgerechten Materialien ermöglichen, die ihnen eine individuelle Erarbeitung von zusätzlichen, ergänzenden Inhalten in ihrem eigenen Interessenfeld möglich machen.

Mit dem schrittweisen Aufbau dieser Sicherheiten ab der 1. Klasse werden sie Schüler immer mehr fähig, ihr Lernen für sich und mit anderen selbst zu gestalten. Wichtig ist dabei vor allem, dass der Lehrer ihnen neben den Sicherheiten auch die unbedingt notwendigen Freiräume gibt, in denen sie das - auch auf „Umwegen“- jeder in seinem Tempo und mit seiner eigenen Strategie entwickeln dürfen. Das bedeutet aber auch insbesondere einen Verzicht auf die umfassende Kontrolle aller Schüleraktivitäten. So muss der Lehrer, der gewöhnt ist, für alles verantwortlich zu sein und deshalb auch alles kontrollieren muss, seine Rolle neu definieren und aktiv und bewusst verwandeln.