FWS Sicherheit als Voraussetzung:

Lernen kann – ebenso wie auch Verantwortung ergreifen – überhaupt nur auf der Grundlage einer gewissen Sicherheit erfolgen. Sobald Unsicherheit und Angst mit im Spiel sind, sind Lernen und Verantwortung-Übernehmen stark behindert. Die neuere Gehirnforschung (Manfred Spitzer, Gerald Hüther u.a.) hat nachgewiesen, dass bei Angst keine Kreativität mehr möglich ist, sondern nur noch gut eingespielte Routinen abgerufen werden können. Schon ein einmaliges Angsterlebnis (und erst recht wiederholte!) kann dazu führen, dass bei erneutem Eintreten einer solchen Situation die Amygdala, d.i. der sog. Mandelkern, im Gehirn aktiviert wird, der sofort bestimmte Überlebensmechanismen aktiviert und die normalen Funktionen teilweise außer Kraft setzt.

Meiner Beobachtung nach befinden sich viele Schüler, denen von den Lehrern oder Eltern Willensschwäche vorgeworfen wird, weil sie Passivität und Desinteresse zeigen, in einer solchen Situation der Angst und des Stress, die sie nicht mehr normal reagieren lässt. Bei zusätzlichem Druck, der dann in der Regel von Lehrern und Eltern aufgebaut wird, um den Schüler endlich in Bewegung zu bringen, wird es nur noch schlimmer, statt besser. Es beginnt häufig ein Teufelskreis, der je nach Charakter des Schülers entweder zu immer mehr Rückzug und Passivität bis hin zur Schulverweigerung oder aber zu Störungen, Angriff, Kampf auf verschiedenen Ebenen, Aggressivität und Gewalttätigkeit führt. Besonders schwierig wird es, wenn die Negativ-Zuwendung der Umgebung dem Schüler eine gewisse Sicherheit gibt, die er anders nicht bekommen kann. Dann sind diese Muster besonders befestigt. Dieser Teufelskreis muss erst erkannt werden, um ihn überhaupt angehen zu können. Das bedeutet, dass immer darauf geachtet werden muss, welche Voraussetzungen die Schüler für die jeweilige Arbeit, den Inhalt und das Lernen mitbringen, wie viel Sicherheit sie als Gruppe, vor allem aber individuell schon entwickeln konnten. Häufig verschwinden die Unsicherheiten in der Gruppe, weil sie dem einzelnen Schutz bietet und man sich in ihr verstecken bzw. einfach unauffällig mitschwimmen kann. Insofern muss jeweils herausgefunden werden, was individuell und in der Gruppe noch angelegt, geübt und entwickelt werden muss, damit eine ausreichende Sicherheit für das individuelle und gemeinsame Arbeiten und Lernen entsteht.